Lange haben wir gewartet, nun ist es endlich geschehen. Am 12. April 2023 hat Bundesminister Karl Lauterbach die langersehnte Pressekonferenz zum Eckpunktepapier hinsichtlich der Cannabislegalisierung gehalten. Doch was genau wurde verkündet und wie soll die Zukunft für die Cannabis-Community in Deutschland aussehen? Wir haben uns angeschaut, was heute besprochen wurde und verraten Euch, ob, warum und wann es Grund zum Feiern gibt:
– 2-Säulen-Modell “CARe”
– Cannabis Clubs sollen zeitnah kommen
– 25 g Eigenbedarf für Erwachsene
– max. 3 weibliche blühende Pflanzen im Rahmen des Eigenanbaus
– Regionale Modellprojekte: 5 Jahre Laufzeit
– Fokus auf flächendeckenden Kinder- und Jugendschutz
2-Säulen-Modell “CARe” wird kommen
Die Bundesregierung hat sich für einen geteilten Weg entschieden. Das sogenannte “CARe”-Modell, was ausgeschrieben für “Club Anbau & Regional-Modell” steht, soll nun in zwei Etappen beschlossen und verabschiedet werden. So soll bereits im Laufe des Aprils der Entwurf für den ersten Teil des Zwei-Säulen-Modells vorgestellt werden. Anschließend an die Parlamentarische Sommerpause wird dann an den Entwürfen für den zweiten Teil gearbeitet.
Die erste Säule – privater und gemeinschaftlicher Eigenanbau
Es sollen im ersten Schritt “nicht-gewinnorientierte Vereinigungen” und der Eigenanbau in den Vordergrund gerückt werden. Was genau dahinter steckt, erklärt die Bundesregierung in der ersten Säule. So wird es künftig voraussichtlich möglich sein, unter engen und klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen Cannabis anzubauen und die geernteten Blüten in den Cannabis Clubs an Mitglieder zu verkaufen. Die Anzahl der Mitglieder soll auf 500 begrenzt werden und das Mindestalter beträgt 18 Jahre. Weiterhin sollen die Mitglieder möglichst aktiv eingebunden werden, was bedeutet, dass das Mitwirken von Mitgliedern beim Anbau zulässig ist. Es soll den Mitgliedern künftig ermöglicht werden, eine Höchstmenge von 25 g täglich und 50 g monatlich in den Clubs zu erwerben (ab 21 Jahre; monatliche Maximalmenge für 18-21-jährige: 30 g). Die Höchstmenge für den Besitz als Eigenbedarf wird ebenfalls auf 25 g pro Person festgesetzt.
Neben dem Erwerb von Blüten wird es künftig auch möglich sein, Stecklinge und Saatgut zu kaufen. Die Menge wird begrenzt auf maximal 5 Stecklinge und 7 Samen pro Monat. Der Import und Export von Genusscannabis soll jedoch zunächst verboten bleiben, was zur Folge hat, dass der Bedarf inländisch gedeckt werden muss. Hier kommt die Frage auf, in welchem Ausmaß dies kontrolliert werden soll, wer die Kontrollen übernimmt und wie eine Gewährleistung von Anbau- und Qualitätsstandards vonstatten gehen soll. Erste Antworten zu Anbau- und Qualitätsrichtlinien sind mit den geplanten Gesetzesentwürfen Ende April zu erwarten.
Die Einhaltung von Kinder- und Jugendschutz und Qualitätsvorgaben sollen durch die Landesbehörde geprüft und überwacht werden. Weiterhin sollen bestehende Straf- und Ermittlungsverfahren eingestellt (welche die beschlossenen Höchstmengen nicht überschreiten) und die Strafverfolgung entlastet werden. Wir begrüßen die anstehende Entkriminalisierung sehr und blicken im Allgemeinen positiv auf die genannten Ergebnisse, sehen jedoch noch deutliches Verbesserungspotenzial in der Ausgestaltung eines liberalen Umgangs mit der Hanfpflanze.
Die Zweite Säule – regionale Modellprojekte
Anschließend an die Umsetzung der Vorhaben zum “nicht-kommerziellen” Anbau sollen regionale Modellprojekte Aufschluss über die Auswirkungen auf den Schwarzmarkt und vor allem auf den Kinder- und Jugendschutz geben. Es soll, begrenzt auf eine Laufzeit von 5 Jahren, Unternehmen möglich sein, Produktion, Vertrieb und Abgabe über die angekündigten “lizenzierten Fachgeschäfte” abzudecken. Die Bedingungen hierfür werden jedoch durch den Gesetzgeber stark reglementiert und kontrolliert sowie wissenschaftlich begleitet. Diese Ergebnisse sollen nach der Pilotprojektphase der EU-Kommission und weiteren EU-Partnern vorgestellt werden, um einen gemeinschaftlich akzeptierten gesetzlichen Umgang mit Cannabis innerhalb der Europäischen Union zu ermöglichen.
Doch dieser Schritt wirft Fragen auf. Für den Fall, dass Modellprojekte nicht flächendeckend, sondern nur vereinzelt angeboten werden, kann keine einheitliche Erkenntnis aus den Ergebnissen gezogen werden. Es wird letztlich unmöglich sein, den Schwarzmarkt mit den geplanten Maßnahmen vollständig zu verdrängen und Jugendliche vor Konsum von bspw. Cannabis mit unerwünschten Beimengungen zu schützen, wenn die Möglichkeit der kontrollierten Abgabe nicht ganzheitlich gewährleistet werden kann. Weiterhin stellt sich letztlich die Frage nach der Validität und Reliabilität der evaluierten Daten für eine Argumentation vor der EU-Kommission.
Ebenso die Abgabe über Apotheken und deren Einbindung sollte unserer Ansicht nach weiterhin nicht vernachlässigt werden. Diese haben schließlich seit März 2017 Erfahrungen und Expertise in Abgabe und Lagerung von (Medizinal-)Cannabis sammeln können. Außerdem sollte stets gewährleistet sein, dass Patient:innen weiterhin in einer gleichbleibenden Qualität versorgt werden können.
Fazit: Es gibt noch Luft nach oben!
Die nach den aktuellen Entwürfen wahrscheinliche Entkriminalisierung ist positiv zu betrachten und bedeutet im Allgemeinen Freude und Fortschritt für die Cannabis-Community. Jedoch stellt eine geplante Entkriminalisierung keine Legalisierung dar. Die Regierung befindet sich auf einem soliden Weg und hat somit Zeit, offene Fragestellungen zu klären und Zahlen für die Evaluierung zu sammeln. Dennoch muss erwähnt werden, dass die großen Ankündigungen aus der Wahlperiode bei weitem nicht eingehalten wurden.
Die Entklassifizierung von Cannabis als Betäubungsmittel wurde bspw. noch nicht beschlossen, weshalb zu hoffen ist, dass dies in dem kommenden Beschluss enthalten sein wird. Für die CBD-Branche gab es keine Neuerungen, was uns ein wenig traurig stimmt, dennoch optimistisch in die Zukunft blicken und auf tiefgreifende Beschlüsse hoffen lässt. Eine einheitliche Regelung für CBD ist essentiell wichtig und darf nicht in Vergessenheit geraten. Die bereits beschlossene Grenzwerterhöhung des THC-Gehalts von Nutzhanf auf 0,3 % zu Beginn des Jahres war die einzige Erwähnung für die CBD-Branche, welche darüber hinaus bereits bekannt war und wurde zuvor auf EU-Ebene beschlossen und lediglich in deutsches Recht umgesetzt. Ebenso wurde dem Bereich Medizinalcannabis zu wenig Beachtung geschenkt, weshalb davon auszugehen ist, dass es nachträglich zu weiteren Beschlüssen kommen wird.