Der Anbau der Hanfpflanze ist in den meisten Ländern aufgrund des potentiellen Missbrauchs als Rauschmittel untersagt. Das ist einerseits verständlich und andererseits sehr schade, denn trotz der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und Vorteile, die Nutzhanf bietet, wird nur ein Bruchteil seines Potentials ausgeschöpft. Zahlreiche Industriezweige nutzen vornehmlich Rohstoffe, deren Produktion die Umwelt belastet. In vielen Fällen verspricht Nutzhanf jedoch eine ökologische und vielfach effizientere Alternative.
Dieser Artikel beleuchtet die Geschichte und Chance von Hanf in den Anwendungsfelder Textil, Papier, Bau und Kunststoff.
Am 22. August 2020 ereignete sich der Erdüberlastungstag (“Earth Overshoot Day”), welcher jenen Zeitpunkt markiert, zu dem die Menschheit die innerhalb eines Jahres regenerierbaren Ressourcen der Erde aufgebraucht hat. Angesichts der Klima- und Umweltkrise, die sich durch das menschliche Wirken auf der Erde verschärft, spielt unser ökologischer Fußabdruck eine immer wichtigere Rolle. Umweltfreundliche Alternativen für herkömmliche Produkte und ein verantwortungsbewusster Umgang mit endlichen Ressourcen sind nur der erste Schritt im Kampf gegen die Zerstörung der Natur. Die Rodung des Regenwaldes zur Bereitstellung von Weideflächen, die Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik und der uneingeschränkte Verbrauch des immer rarer werdenden Erdöls stellen konkrete Negativbeispiele des Marktes dar, in dessen Rahmen sich Endverbraucher_innen bewegen. Zwar liegt die Verantwortung und Kontrolle über die Entwicklung des Marktes nicht allein in der Hand der Endverbraucher_innen, doch ist ihr Hebel nicht zu unterschätzen. Der Markt ist ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage – sobald die Nachfrage von Umweltbewusstsein geprägt ist, muss das Angebot sich daran orientieren. So hat jeder Einzelne als Endverbraucher_in in der Hand, wie umweltfreundlich sich der Markt entwickelt.
Hanferzeugnisse in der Textilindustrie
Die ältesten Quellen zur Verarbeitung von Hanf stammen aus dem archaischen China (4200 v. Chr.) – dort gehörten Hanffasern zum wichtigsten Rohmaterial zur Fertigung von Kleidung. Nicht zuletzt aufgrund der Reißfestigkeit der Hanffaser eignet sich diese auch hervorragend zur Herstellung von technischen Textilien: So wurden im Spätmittelalter beispielsweise Segeltücher und Seile für die Schifffahrt vornehmlich aus Hanf gefertigt. Im Laufe der Industrialisierung und der Rauschmittelprohibition verdrängte die günstigere und feinere Baumwolle Hanf immer mehr, bis zum heutigen Tage, an dem Baumwolle als Hauptvertreter der pflanzlichen Textilfasern neben Kunstfasern den Textilmarkt dominiert.
Aufgrund der zahlreichen Vorteile von Hanf gegenüber Baumwolle und im Kontext der zunehmenden Entstigmatisierung der Hanfpflanze, feiert Hanf mehr und mehr die Wiederkehr auf den Textilmarkt. Der Umwelt ist dieser Umstand zuträglich, denn die Weiterverarbeitung von Hanf ist in den meisten Fällen umweltfreundlicher als die von pflanzlichen Textilfasern und Kunstfasern allgemein.
Um weitere Vorteile benannt zu haben, die Hanfpflanze:
- besteht aus Hanffasern, welche sich gegenüber Baumwolle einerseits in Länge und andererseits in Stärke sowie Langlebigkeit auszeichnen. Hanffasern sind im Schnitt 200x länger, 8x stärker sowie 4x langlebiger als Baumwollfasern.
- hat einen Vorteil gegenüber anderen pflanzlichen Faserquellen, da Hanffasern kein Eiweiß enthalten. Dadurch werden sie nicht von Schädlingen befallen, was die Pestizidbehandlung unnötig macht.
- wächst derart dicht und hoch, dass Unkraut nicht gegen sie ankommt. Aus diesem Grunde wird auf eine Behandlung mit Herbiziden ebenfalls verzichtet.
- ist vorteilhafter für die Umwelt, da sie als pflanzliche Faserquelle im Gegensatz zu Kunstfasern im Waschvorgang kein Mikroplastik im Wasser zurücklässt, welches sich mehr und mehr in Meeren und Ozeanen anreichert und diese verseucht.
- wirkt Bodenerosionen entgegen, indem sie Nährstoffe im Boden wiederherstellt und diesen so langlebig und vielfältig nutzbar macht. Die Hanfpflanze ist für Phytosanierungsprozesse geeignet.
Textil aus Hanffasern:
- schützt besser vor der Sonne, als Baumwollstoff. Während Baumwolle etwa 30-60% der UV-Strahlung absorbiert, hält Hanfstoff bis zu 90% ab.
- ist haltbarer und belastbarer als andere Fasern.
- bleibt länger frisch, da Hanffasern die Bildung von Bakterien hemmen. Auf diese Weise muss Kleidung aus Hanf seltener in die Waschmaschine und Wasser, Strom sowie Waschmittel werden gespart.
- bietet bessere Temperaturregulation bei Hitze und Kälte.
Einzig ist die Herkunft des Hanfes ein Risikofaktor für dessen Qualität und Nachhaltigkeit. Beim Kauf von Hanffaser-Textilien sollte auf etwaige Bio-Zertifikate und den Anbauort geachtet werden.
Hanfprodukte in der Papierindustrie
Auch zur Papierherstellung wurden im frühen China Hanffasern verwendet. Von dort breitete sich das Hanfpapier nach Indien und zum Mittelmeerraum aus. Im Rahmen der Erfindung des Buchdrucks und infolge des steigenden Papierbedarfs stellten Hanffasern den Rohstoff für 75-90 % der Papierproduktion weltweit. Die erste Hanfpapiermühle eröffnete Ulman Strömer 1390 n. Chr. in Nürnberg. Die Produktionsweise von Hanfpapier änderte sich bis ins 18. Jahrhundert nicht: Grundmaterial waren sogenannte “Hadern” – aus Hanf oder Flachs bestehende Lumpen. Dabei waren Hanfhadern aufgrund ihrer Robustheit besonders begehrt. Die Hadern wurden in Wasserstampfwerken zu Brei gestampft und anschließend in Bütte abgefüllt, aus welchen mittels Sieb einzelne Bögen geschöpft wurden. Durch Schütteln des Siebs tropfte das Wasser ab und die Fasern verfilzten zu Papierbögen. Im letzten Schritt folgte noch das Pressen und Glätten der Bögen zur Weiterverwendung. Dieses Verfahren wurde aufgrund Hadernknappheit durch alternative Herstellungsweisen abgelöst. So werden heutzutage Fasern aus Holz oder Altpapier zur Eigenschaftsoptimierung mit Chemikalien versetzt, aufgelöst, gesiebt und sortiert. Diese bearbeiteten Fasern werden in einer Papiermaschine über dampfbeheizte Zylinder gepresst und getrocknet. Schließlich erfolgt der Zuschnitt der Papierbögen, bevor das erzeugte Papier verpackt und versendet werden kann. Der Nachteil moderner Papiererzeugungsverfahren liegt in den großen Mengen benötigten Wassers und Stroms, welche umweltbelastende Wasser- und Luftemissionen mit sich bringen.
Hanffasern bieten eine umweltfreundliche Alternative zu Holzfasern, da
- der Faseranteil in Hanf dreimal höher ist, als in Holz. Dadurch ist der Papierertrag bei Hanf auf einen Hektar Anbaufläche um ein vielfaches höher als von Holz.
- Hanf kein chemisches Bleichen notwendig macht. Generell sind die verwendeten Chemikalien im Herstellungsprozess von Hanfpapier umweltfreundlicher als bei der Verarbeitung von Holzfasern.
- Hanfpapier langlebiger ist als Papier aus Holzfasern.
- Hanfanbauflächen auch für andere Getreidesorten verwendet werden können. Im Gegensatz zu Bäumen wachsen Hanfpflanzen innerhalb von 4 Monaten nach.
Die Nutzung von Hanf in der Kunststoffindustrie
Anfänglich wurde Kunststoff aus pflanzlicher Zellulose, meist Maiszellulose, gefertigt. Aufgrund des hohen Faseranteils der Hanfpflanze, ist der Zelluloseanteil unter allen pflanzlichen Quellen in Hanf am höchsten. Eines der ersten Autos von Henry Ford wurde 1941 sogar bereits u. a. aus Hanfzellulose gebaut, fand jedoch nie den Weg auf den Markt. Erdöl und andere nicht-erneuerbare Ressourcen verdrängten schließlich Hanf, sicherlich spielte die Klassifizierung der Hanfpflanze als Rauschmittel auch eine entscheidende Rolle. Fossile Ressourcen sind jedoch nur begrenzt verfügbar und schädigen die Umwelt im Rahmen ihrer Verarbeitung und Entsorgung. Ihnen gegenüber haben ökologisch erwirtschaftete pflanzliche Rohstoffe einen klaren Vorteil, da sie langlebig und recyclebar sind. Ob naturfaserverstärkter Kunststoff auch hinsichtlich der Umweltbilanz besser abschneidet, ist noch nicht wissenschaftlich untersucht. Dennoch ist ein klarer Trend in den Bestrebungen zu verzeichnen, die Nutzung pflanzlicher Rohstoffe im Sinne der Nachhaltigkeitsgestaltung weiter auszuweiten.
Hanferzeugnisse im Bausektor
Im Bausektor wird Hanf, sogenannter “Iso-Hanf” als Dämmmaterial verwendet. Er zeichnet sich in diesem Bereich durch gutes Feuchteabsorptionsvermögen und gute Wärme sowie Schalldämpfeigenschaften aus. Beworben wird Iso-Hanf auch mit seiner hohen Wärmespeicherqualität, Dampfdiffusionsoffenheit, Feuerfestigkeit, Unverrottbarkeit, natürlicher Fungizidität, Elastizität, Entwässerung und Wasserabweisung und seinem geringen Gewicht. Dass Hanf für Schädlinge nicht genießbar ist, begünstigt dessen Verwendung als Dämmmaterial. Unvermischt eignet sich Iso-Hanf für Böden, Innen- und Dachstuhlisolation. In Kombination mit hydraulischen Zement und Kalk lässt sich Iso-Hanf genauso gut für Fundamente, Mauern, Böden, Decken und Verputz verwenden. Im Bausektor ist Hanf besonders ökologisch, da der in der Produktion anfallende Kohlenstoff im Baumaterial gebunden wird, anstatt als Kohlenstoffdioxid zum Treibhauseffekt beizutragen.
Fazit
In vielen Bereichen der Produktion bietet sich Hanf als sinnvolle, umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Herstellungsmethoden und Rohstoffen an. Die Rolle und das Image von Hanf auf dem Markt wandelt sich zurzeit rapide. In diesem Artikel wurde nur ein Bruchteil des Potentials der Hanfpflanze beleuchtet.
Jede_r kann durch sein Kaufverhalten einen Beitrag zur Entwicklung des Marktes und zum Schutz unserer Umwelt leisten. Besonders beim Einkauf von Kleidung und Papier kann, durch die Wahl von hanfbasierten Alternativen, ein Impuls gesetzt werden.