Jetzt kommt die Hanflegalisierung
Cannabis soll in Deutschland bald legalisiert werden. „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein”, so schreiben die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag. Doch warum hat das so lange gedauert und was bedeutet das für die Zukunft?
Wie kommt es zum Umdenken der Drogenpolitik?
Schon lange ist Hanf in Deutschland ärgster Stigmatisierung und Kriminalisierung unterworfen. Die Gründe dafür sind historischer Natur: Die Cannabis-Prohibition begann 1937 in den USA und bahnte sich von dort ihren Weg in die Welt. Das Stigma um Cannabis ist aus Rassismus und wirtschaftlichen Interessen entstanden, die vor allem die weiße Elite in den USA im 20. Jahrhundert verfolgte.
Alkohol und Nikotin hingegen erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit. Alkohol gilt in Deutschland als Volksdroge, wogegen Nikotin im 20. Jahrhundert als Zeichen der weiblichem Emanzipation so erfolgreich vermarktet wurde, dass die Tabakindustrie bis heute weltweiten Erfolg damit feiert. Nur selten werden die Gefahren von Alkohol- oder Nikotinkonsum diskutiert, höchstens im engagierten Schulunterricht zur Prävention.
Der Wirkstoff Tetrahydrocannabidiol (THC) verursacht die berauschende Wirkung von Cannabis. Häufig wird er mit Alkohol und Nikotin verglichen, um für oder gegen die Prohibition von Hanf zu argumentieren. Dabei ist der Vergleich von Alkohol, Nikotin und THC nicht einfach: Die Wirkungsmechanismen der drei Wirkstoffe sind unterschiedlich und in ihrer Gefährlichkeit nicht eindeutig einzuordnen. Um es mit den Worten der ehemaligen Drogenbeauftragen Daniela Ludwig zu sagen: „Nur weil Alkohol gefährlich ist – unbestritten –, ist Cannabis kein Brokkoli. Okay?”
Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Alkohol- und Nikotinkonsum zu tödlich verlaufenden Erkrankungen führen können. Das Bundesministerium für Gesundheit schreibt diesbezüglich am 12.08.21: „Analysen gehen von jährlich etwa 74.000 Todesfällen durch Alkoholkonsum allein oder bedingt durch den Konsum von Tabak und Alkohol aus.“ THC-Konsum kann als schwerste Folge die Gehirnfunktion verändern und bei genetischer Veranlagung beispielsweise eine Psychose verursachen. Somit ist THC nicht tödlich. Ein Verbot von Cannabis entbehrt folglich jeder Grundlage, wogegen die Legalisierung viele Vorteile birgt – auch für den Staat und dessen Wirtschaft.
5 Vorteile der Legalisierung
Ob legal oder nicht, Cannabis wird konsumiert. Von Jugendlichen, die den Rausch suchen, bis zu Patient:innen, die an chronischen Schmerzen leiden, sind alle Bevölkerungsgruppen vertreten. Die Legalisierung ist also keine Zugangseröffnung zu Cannabis, sondern vielmehr eine Zugangsoptimierung für Staat und Verbraucher:innen.
1. Die mit der Legalisierung einhergehende Entkriminalisierung des Cannabishandels wird den Cannabis-Schwarzmarkt stark schädigen: Ist Cannabis legal zugänglich, so wird das bereits genügen, um einen großen Anteil der Konsumierenden vom Schwarzmarkt in den legalen Einkauf zu ziehen.
2. In lizensierten Fachgeschäften verkaufter Hanf ist nicht nur zugänglicher, sondern auch dem Verbaucherschutz unterliegend und somit von kontrollierter Qualität. Zwar wird auf diese Weise verkaufter Cannabis teurer sein und nur für Volljährige zugänglich, doch gilt beim Konsum dieses Hanfes auch der Verbraucherschutz und die damit einhergehenden Sicherheitsstandards.
3. Wo ein legaler Handel stattfindet, dort besteht auch die Möglichkeit der Besteuerung des Handels durch den Staat. Auf diese Weise profitieren nicht nur die Handelnden von der Cannabislegalisierung, sondern auch der Staat, der eine Steuer auf Cannabis erheben kann. Die auf diese Weise eingenommenen Gelder können beispielsweise staatliche Aufklärungskampagnen und Maßnahmen zur Suchtprävention finanzieren.
4. Eine Entkriminalisierung bedeutet auch eine Entlastung für Strafverfolung und Rechtsprechung, da ein Großteil des Cannabismarktes nicht mehr verfolgt und sanktioniert werden muss. Zwar stellen auch Qualitätskontrollen Aufwand dar, dieser verteilt sich jedoch auf Institutionen, wie beispielsweise Zoll, Ordnungsamt und Verbraucherschutz, statt Polizei und Rechtsprechung.
5. Zu guter Letzt bedeutet Entkriminalisierung auch Entstigmatisierung: Jeder hat eigene Gründe, Cannabis zu konsumieren. Wenn beispielsweise Probleme infolge des Konsums auftreten, ist durch die Legalisierung die Hemmschwelle für Konsumierende gesenkt, das Gespräch zu suchen oder ein Hilfsangebot in Anspruch zu nehmen.
Was spricht gegen die Legalisierung?
Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat10 Gründe zusammengetragen, was gegen die Legalisierung spreche. Die 5 wichtigsten sollen an dieser Stelle aufgegriffen werden.
1. Der Konsum von Cannabis berge hohe gesundheitliche Risiken. Das LKA Niedersachsen befürchtet „ernsthafte körperliche und psychische Erkrankungen und nachhaltige Störungen der altersgebundenen Entwicklungs- und Wachstumsprozesse und Desintegration der Betroffenen” infolge des Cannabiskonsums. Allerdings sind gesundheitliche Folgen von Konsum kein Argument gegen die Legalisierung von Cannabis, da der Konsum auch ohne diese stattfindet – nur unter präkereren Bedingungen.
Auch familiäre Probleme und Schulversagen seien laut LKA Niedersachsen Begleiterscheinungen des Cannabiskonsums. Allerdings verweisen sie auf keine Quelle, die Cannabiskonsum als Ursache dieser Begleiterscheinungen definiert. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Cannabiskonsum, ähnlich wie Alkoholkonsum, in schwierigem familiären Umfeld häufiger stattfindet; jedoch kann auch das Umfeld die Ursache für Cannabiskonsum und schulischen Leistungsabfall sein. Zusätzlich wird die Cannabisabgabe ohnehin erst ab einem Alter von 18 Jahren zugelassen.
2. Das LKA Niedersachsen befürchtet unter Punkt 4 ihres Positionspapieres, Cannabis sei eine Einstiegsdroge. Bisher gibt es keine Studie, die das Konzept der „Einstiegsdroge” belegt. Zwar gibt es Konsumierende, die sowohl Cannabis als auch andere Drogen konsumieren. Doch gibt es bisher keinen Hinweis auf einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von Cannabis und „härteren” Drogen. Die Häufung von Drogenkonsum in der gleichen Bevölkerungsgruppe könnte sich auch durch Umfeldfaktoren, wie beispielsweise vorgelebte Lebensweisen oder einfachen Zugang zu Substanzen, erklären.
3. Das LKA Niedersachsen plädiert unter Punkt 7 ihres Positionspapiers darauf, die Freigabe von Cannabis sei unnötig, da reiner Konsum bis zu einer Eigenbedarfsmenge von 6 Gramm Cannabis in Niedersachsen nach aktueller Rechtslage straffrei bleiben könne. Allerdings ist bei den bisherigen Regelungen der Handel mit Cannabis verboten und muss somit über den Schwarzmarkt passieren. Dort fehlt jeglicher Verbraucherschutz, wodurch die Konsumierenden einer zusätzlichen Gefahr bei Cannabiskonsum, wie beispielsweise durch Vergiftungen an verunreinigtem Cannabis, ausgesetzt werden. Weiterhin greifen alle oben beschriebenen Mechanismen nicht, die eine Legalisierung zum Vorteil hätte.
4. Unter Punkt 9 argumentiert das LKA Niedersachsen, die organisierte Kriminalität werde durch eine Cannabisfreigabe nicht eingedämmt. Tatsächlich stehen Geringverdienende und Jugendliche in der Gefahr, den Schwarzmarkt weiterhin zum Cannabiskauf aufzusuchen. Cannabis aus lizensiertem Fachhandel wird Qualitätsstandards und Steuern unterliegen, wodurch es teurer sein wird, als auf dem Schwarzmarkt. Allerdings bricht durch die Legalisierung ein immenser, kaufstarker Anteil des Kundenstammes weg und schwächt somit den Schwarzmarkt.
5. Zuletzt behauptet das LKA Niedersachsen, die Cannabisfreigabe senke keine staatlichen Kosten. Jedoch finden viele der aufgeführten Ausgaben entweder ohnehin statt, oder aber sie würden sich durch die steuerlichen Einnahmen des Cannabishandels refinanzieren. Auch ist nicht zu vernachlässigen, dass auch der Cannabismarkt selbst Kosten des Anbaus und der Qualitätssicherung übernimmt, die dem Staat in Form von Sanktionen bei Verstößen oder auch Steuern sogar einträglich sein werden.
Wie geht es weiter?
In einzelnen Teilen der USA, in Lesotho, Belgien, Kanada, Südafrika, den Niederlanden, Spanien, Peru und Uruguay ist Cannabis mindestens entkriminalisiert. Negative Konsequenzen der Legalisierung für das Konsumverhalten konnten in Studien nicht gezeigt werden. Die Vorteile der Legalisierung sind deutlich darstellbar, während sie kaum Nachteile hat.
Doch wie geht es nun weiter? Wird die Legalisierung von Cannabis auf einen Schlag kommen, oder in Modellprojekten eingeschlichen? Wo wird der Cannabishandel stattfinden? Im Koalitionsvertrag steht, der Handel mit Cannabis würde in lizensierten Geschäften vonstatten gehen: Darunter könnten etwa Apotheken, wie auch speziell auf Cannabis ausgerichtete Läden fallen, wie es sie beispielsweise in den Niederlanden gibt.
Doch welche Bedingungen müssen diese Geschäfte erfüllen, um eine Lizenz zu erhalten? Zum Vorgehen der Legalisierung lässt sich zu diesem Zeitpunkt nur spekulieren. Die Ankündigung der Cannabislegalisierung im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ist jedoch ein historischer Schritt zu einer besseren Verbraucherpolitik für alle.